Hallo zusammen,
aus gegebenem Anlass in einem anderen Thread eröffne ich hier einmal ein neues Thema bzgl. der Legalität von Motorleistungen. Dabei möchte ich mich wenn möglich ausschließlich auf das Thema der jeweiligen Leistungen und Legalität beziehen und andere rechtliche Geschichten einmal außen vor lassen (Trittunterstützung, Versicherungen, Höhe der Strafen). Es geht also darum, mit welchem Motor bzw. welchen Motorleistungen in einem Fahrrad dieses in Deutschland noch als Pedelec gilt.
Hierzu eine konkrete Frage als Beispiel:
Darf ich einen Bafang BBSHD Motor (herstellerseitig als 1000 W Motor verkauft) legal in mein Pedelec einbauen, wenn ich die Leistung in den Einstellungen manuell begrenze? Und auf wieviel Watt müsste ich sie dann begrenzen?
Zunächst einmal die Ausgangssituation und die gemeinsame Basis:
Wann ein motorisiertes Fahrrad rechtlich als Pedelec gilt ist im §1 StVG klar geregelt. Das Fahrrad darf mit einer "Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet" sein.

Was ist überhaupt das Problem bzw. sorgt für Verwirrung?
Der Knackpunkt vieler Diskussionen ist nun eben das Wort "Nenndauerleistung". Ohne weitere Kenntnisse würde man nun zunächst einmal meinen, der Motor darf nur eine Leistung von 250 W beisteuern. Unser Bafang BBSHD aus der eingangs gestellten Frage müsste also nur auf 250 W gedrosselt werden, richtig?
In der Praxis liegen die tatsächlich abrufbaren Leistungen zugelassener Pedelecmotoren aber deutlich höher. Dies wird em ehesten daran deutlich, dass praktisch alle Hersteller verschieden starke Motorserien im Programm haben. Verwirrend ist dann, dass all diese Motorserien seitens der Hersteller jedoch mit 250 W "Nenndauerleistung" angegeben werden.
Als Beispiel hierfür sei die Motorreihe von Bosch herangezogen. In der Anleitung findet sich z.B. folgende Übersicht für drei unterschiedlich starke Motoren:

Wie können Motoren der selben Leistung nun unterschiedlich stark sein? Die Antwort muss im Begriff der "Nenndauerleistung" zu finden sein. Können wir einen Bafang BBSHD also sogar mit mehr als 250 W legal in unserem Pedelec betreiben? Und wenn ja, wo ist die Grenze??
Verwirrung um die Wortdefinition "Nenndauerleistung"
Hier sind wir bereits an einem Punkt angelangt, zu welchem im Netz, Blogartikeln, Zeitschriften und Foren unterschiedlichste Meinungen herrschen. Die Begriffe "Nennleistung", "Dauerleistung" und "Maximalleistung" werden wild durcheinander geworfen und unterschiedlichst definiert. Quellen werden so gut wie nie angeführt, die meisten Diskussionsteilnehmer haben irgendwas zu diesem Thema von irgendwem gehört der bestimmt Ahnung hat. Auch Zeitschriften beziehen sich teilweise nur auf Forenbeiträge und können keine eigenen Quellen anführen.
Im Folgenden steuere ich also einmal meine ganz persönlichen Rechercheergebnisse zu diesme Thema bei und versuche sie so gut es geht zu belegen. Die unumstößliche Basis bildet dabei nach wie vor der §1 StVG und die zugrunde liegend geforderte "Nenndauerleistung". Eine abschließende Wahrheit kann ich selbst sicherlich auch nicht liefern, möchte mit meinem im Folgenden beschrieben Vorgehen aber zumindets klar machen, wieso dieses Thema so komplex ist und nicht durch ein "es ist genau so oder so und nicht anders" abgefrühstückt werden kann.
Meine Meinung: Dauerleistung, Nennleistung, Nenndauerleistung
Um herauszufinden, worum es sich bei der Nenndauerleistung nun handelt, könnte man diesen Begriff zunächst einmal in seine Bestandteile aufspalten: Nennleistung + Dauerleistung = Nenndauerleistung
Als Nennleistung bezeichnet man zunächst einmal wohl einfach nur diejenige Leistung, die der Hersteller nennt (Quelle).
Die Dauerleistung sollte diejenige Leistung sein, unter welcher ein Motor dauerhaft oder hinreichend Lange betrieben werden kann, ohne durch den Betrieb beschädigt zu werden (z.B. unzulässig heiß zu laufen).
Wenn der Hersteller nun die Dauerleistung nennt, so haben wir unsere "Nenndauerleistung". Aber er darf diesen Wert natürlich nicht erfinden, sonfern muss ihn anhand entsprechender Prüfnormen nachweisen.
Diese Prüfnormen findet man auch, wenn man einmal nach der rechtlich bindenden Definition der "Nenndauerleistung" in Zusammenhang mit Pedelecs sucht. Hierbei bin ich zunächst über die "VERORDNUNG (EU) Nr. 168/2013 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 15. Januar 2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeugen" gestoßen. Lustigerweise findet sich hier fast wörtlich der §1 der STVG wieder. Und zwar unter Artikel 1 (Anwendungsbereich) Unterpunkt h). Etwas weiter findet sich dann auch der gesuchte Verweis zur Definition der "Nenndauerleistung" (Artikel 2, Unterpunkt 35). Es wird auf die UN-ECE-Regelung Nr. 85 verwiesen.
Die UN-ECE-Regelung Nr. 85 scheint meines Wissens nach die für Motorenhersteller verbindliche Prüfverordnung zu sein, um eine Nenndauerleistung angeben zu dürfen. Das heißt, ein Motorhersteller muss seinen Motor nach dieser Verordnung überprüfen ob sein Motor auch mit 250 W "Nenndauerleistung" angegeben werden darf.
Meine Meinung: Der Große Knackpunkt, wieso sich niemand einig ist
Ich habe mir die UN-ECE-Regelung Nr. 85 genauer angeschaut. Eine grobe Zusammenfassung ist als Wikibeitrag im Pedelecforum zu finden, sollte sich jemand etwas genauer für den Inhalt der Regelung interessieren.
Ganz grob zusammengefasst:
In der UN-ECE-Regelung Nr. 85 werden bestimmte Laborbedingungen beschrieben. Der Motor muss unter diesen Bedingungen mit z.B. 250 W laufen und darf dabei nicht zu heiß werden. Wenn er diesen Test bestanden hat, darf er mit einer Nenndauerleistung von 250 W angegeben werden, da er nachgewiesen "dauerhaft" mit dieser Leistung betrieben werden kann.
Knackpunkt:
Im Normalfall sind Hersteller daran interessiert, eine möglichst große Dauerleistung anzugeben. Also das Maximum zu ermitteln, bevor der Motor im Dauerbetrieb überhitzt. Im Pedelecbereich ist ein Hersteller nicht an diesem Maximum interessiert, sondern möchte einfach nur 250 W angeben. Blöd gesagt könnte auch ein Teslamotor mit 250 W dauerhaft betrieben werden, ohne dass er überhitzt. Kann Tesla seinen Motor also auch mit angegebenen 250 W Nenndauerleistung verkaufen? Trotz einer wahnwitzig viel höheren Spitzenleistung?
Wenn ich die UN-ECE-Regelung Nr. 85 richtig verstehe ist es so überspitzt zwar nicht möglich, da ein gewisses verhältnis von Maximalleistung und der zu prüfenden nenndauerleistung besteht. Dennoch hat der Hersteller fast Narrenfreiheit. Er kann die wesentlichsten Betriebspunkte für das Prüfverfahren empfehlen/bestimmen und somit Motoren mit 250 W Nenndauerleistung ausschreiben, welche in der Realität mit höheren Dauerleistungen betrieben werden können. Vereinfacht gesagt: Ein und der selbe Motor könnte für den Pedeleceinsatz auf 250 W Dauerleistung gesetzeskonform getestet und vermarktet werden. Unter einer anderen Modellnummer geführt wird dieser identische Motor dann nochmal für eine andere Branche/Einsatzzweck getestet - also in einem Interesse einen möglichst hohen Wert aufdrucken zu wollen - und erreicht eine deutlich höhere Dauerleistung. Gleicher Motor, andere Nenndauerleistung.
Meine Meinung: Was ist die Nenndauerleistung nicht?
- Die Nenndauerleistung ist keine Durchschnittsleistung oder ein Mittelwert der im Fahrtbetrieb abgegebenen Leistung
- Sie ist nicht die Maximalleistung des Motors
- Sie ist kein Wert, den der Endnutzer z.B. durch Drosseln seines Motors beeinflussen kann
- Sie ist nicht zwingend die maximal mögliche, reale Dauerleistung
Meine Meinung: Darf ich nun meinen BBSHD in ein Pedelec einbauen
Da wir als Endnutzer nicht die Möglichkeit haben eine "Leistung zu nennen" ist dies nicht möglich. Selbst wenn wir die Maximalleistung unseres Motors zu 250 W drosseln und die im Fahrbetrieb real abgerufene leistung somit niemals über 250 W liegt, so hat der Motor weiterhin eine "Nenndauerleistung" von 1000 W. Ein Einsatz ist nicht legal möglich.
Und damit gebe ich das Thema zur Diskussion frei, viel Spaß..
Würde mich freuen wenn zumindest Quellen angeführt werden, sollte sich eure Meinung von meiner unterscheiden.